Ratschlag "Frankfurt für Alle!" - 4. Dezember 2015 - 16 - 20 Uhr - DGB-Haus Frankfurt, Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77
Zur politischen Situation um Flucht, Asyl und öffentliche Ressourcen in Frankfurt
Es geschieht Beachtliches. Menschen innerhalb und außerhalb Europas machen sich zu Tausenden auf den Weg, um Grenzen zu überwinden und um die Festung Europa in Frage zu stellen. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben in Würde.
Gleichzeitig leisten viele Menschen hier den Flüchtlingen direkte Hilfe und Unterstützung. In den vergangenen Wochen bekam Frankfurt dadurch ein offeneres und solidarischeres Gesicht. So entstand die Gruppe ‚Welcome Frankfurt‘, die die Solidaritätsarbeit und die Versammlungen mit den Geflüchteten koordiniert, um gemeinsam politische Forderungen zu artikulieren. Ebenso setzt sich in unserer Stadt bereits seit einem Jahr die Initiative ‚Project Shelter‘ für ein selbstverwaltetes migrantisches Zentrum ein, um sowohl einen offenen Anlaufpunkt als auch einen ständigen Raum der Begegnung zu schaffen. Und zwar für alle Menschen, die in Frankfurt ankommen und hier leben wollen. Auch das ehrenamtliche Bildungsprojekt ‚Teachers on the Road‘ mit seinen Sprachkursen ist Teil dieser spontanen wie organisierten Solidarität. Unzählige weitere Geschichten ließen sich problemlos anreihen. Geschichten von Menschen, die Bildungsarbeit zu Flucht und Asyl anbieten, die sich gegen Abschiebung engagieren, oder die sich aktiv gegen rechte Hetze zur Wehr setzen. Geschichten des Alltäglichen und Beispiele, die oftmals in einem kleinen Rahmen erfolgen. Und klein sind sie nicht, weil sie vermeintlich unwichtig wären, sondern weil sie als selbstverständlich und damit als unsichtbar für die Öffentlichkeit verstanden und gelebt werden.
Es fehlt, was fehlt
Trotz alledem bleibt noch einiges zu Tun. Wir dürfen uns nicht an die prekäre Unterbringung der Flüchtlinge in den Sammelunterkünften gewöhnen: Turnhallen bleiben belegt – oftmals gar überfüllt – obwohl es in der Stadt 1.5 Millionen Quadratmeter leere Büroflächen und über 40.000 verfügbare Hotelbetten gibt. Zeitgleich ist Frankfurt ein globales Drehkreuz. Allerlei Geschäfte finden hier statt. Nationale wie internationale. Und manche Kehrseiten dieser internationalen Geschäfte haben Flucht und Vertreibung zur Folge. Wir sagen deswegen kurz und knapp: Frankfurt verfügt über ausreichend Platz für Menschen in Not! Und wir alle stehen in der besonderen Verantwortung, ein Stück des vorhandenen Überschusses an Reichtum zu teilen.
Humanismus und Solidarität werden in Frage gestellt
Mit Klagen über die angebliche Überlastung zielt die Politik auf eine verstärkte Abschottung nach außen und eine Spaltung der engagierten Bevölkerungsteile: Die Asylrechtverschärfung wird im Eiltempo umgesetzt; im Namen der ‚Sicherung der Außengrenzen‘ werden billigend Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen; neue kommunale Sparpakete sind bereits geplant, um die Armen mit den Ärmsten in Konkurrenz zu setzen; die dramatische Zunahme von Brandanschlägen gegen Asylunterkünfte, Angriffe auf Politiker*innen und der Zuwachs von AfD, Pegida und Co. markieren eine bedrohliche Verschiebung. Rassismus wird als „Angst“ verschleiert.
Wie wollen wir eine Stadt gestalten, in der alle gerne zusammenleben?
Wir halten es daher in der aktuellen Situation für notwendig, sich gemeinsam zu verständigen, um gemeinsam handlungsfähig zu werden. Deswegen möchten wir, der Initiatorenkreis der Initiative „Frankfurt Für Alle“, Sie und Euch herzlich zu einem Ratschlag zur politischen Situation um Flucht und Asyl in Frankfurt und in der Rhein-Main Region einladen.
Denn es gibt viel zu besprechen:
- Welche zentralen Herausforderungen gibt es in Frankfurt/Rhein-Main?
- Wie können wir dem Engagement von tausenden Helfenden eine politische Stimme und Wertschätzung geben?
- Wie können wir uns in Frankfurt für die sozialen und politischen Rechte der Geflüchteten und darüber hinaus einsetzen?
- Wie kann verhindert werden, dass die Politik die Armen gegen die Ärmsten ausspielt und Schutzsuchende in „gute“ oder „schlechte“ Flüchtlinge trennt ?
- Wie begegnen wir fremdenfeindlichen Stimmen und rassistischen Angriffen in unserer Region?
- Wie schaffen wir ein Klima, in dem fremdenfeindliche Sprüche an der Supermarktkasse in eine Diskussion münden und in der das Recht auf Asyl an der Bushaltestelle wie im Betrieb verteidigt wird?
- Welche Vision haben wir von einem weltoffenen Frankfurt?
Wir wünschen uns einen breiten Ratschlag einer Stadtgesellschaft, an dem sich Menschen aus der konkreten Solidaritätsarbeit, der Sozialarbeit, den antirassistischen Initiativen, den Gewerkschaften, dem Engagement gegen Rechts, den Kirchen, den Theatern, den Museen, den migrantischen Vereinen, der KünstlerInnen-Szene, den SchülerInnen-Gruppen, den Verbänden und den NGOs zusammenschließen und einen Ausblick in die Zukunft wagen. Gemeinsam wollen wir beratschlagen, wie wir einer zu befürchtenden flüchtlingsfeindlichen Wende und sozialen Konkurrenz entgegenwirken.
Die Entschlossenheit der Flüchtlinge zu kommen hat uns herausgefordert. Nun sind wir gefragt, aktiv zu werden. Damit neue soziale Zusammenhänge entstehen, in denen Errungenschaften verteidigt werden und sich unsere Stadt in solidarischer antirassistischer Weise neu erfinden kann.
Initiative „Frankfurt für Alle“
Initiatorenkreis der Initiative „Frankfurt für Alle“ (Stand 11.11.2015): Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main, Ver.di Jugend Frankfurt, Ver.di Fachbereich Bildung Wissenschaft Forschung, IG Metall Jugend Frankfurt, Interventionistische Linke Frankfurt, Frankfurter Schüler*innen für Geflüchtete, Project Shelter, medico international, Hessischer Flüchtlingsrat, Buchladen Land in Sicht im Nordend, GEW Bezirksvorstand Frankfurt, Karl Kopp (Europareferent von Pro Asyl), Teachers on the Road, Theater Peripherie e.V., Theater Willy Praml auf Naxos, Aktive aus NoTroika/Blockupy Frankfurt, Frankfurter Arbeitslosenzentrum (FALZ), Bündnis "AufRecht bestehen-Rhein-Main", Martina Droste (Leiterin Junges Schauspiel), A. Passadakis (attac) u.v.m.
Der Initiatorenkreis ist offen und freut sich über weitere Mitstreiter*innen.
Für weitere Informationen oder Unterstützung meldet Euch bitte an: frankfurtfueralle[aet]riseup.net
Download Text als Kopiervorlage: Flyer
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