Mit Bestürzung haben wir die Nachricht erhalten, dass in Kürze eine Flüchtlingsgruppe, die von uns seit 15 Monaten mit Nahrungsmitteln und anderen Dingen versorgt wurde, ihr Domizil im Nordend aufgeben muss, eine Ersatzunterbringung wird es nicht geben.
Vom Herbst 2014 bis zum Sommer 2015 lebten ungefähr 30 Flüchtlinge in der leerstehenden Gutleutkirche, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Wegen des Beginns der Umbauarbeiten der Kirche und deren Umwandlung in eine Jugendeinrichtung erhielten die Flüchtlinge kleine Wohneinheiten in einem Haus der evangelischen Kirche in der Rotteckstraße. Dies stellte eine erhebliche Verbesserung der Wohnbedingungen, allerdings wurde von vorherein klar gestelltt, dass auch hier nur übergangsweise eine Unterbringung möglich sei.
Die Flüchtlinge, die ursprünglich aus Ghana und anderen westafrikanischen Ländern kommen, haben sich für kurze Zeit oder auch jahrelang in Italien, Spanien und Griechenland aufgehalten und ggf. gearbeitet. Wegen der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit sowie der alltäglichen großen Notlage in Südeuropa kamen die Männer auf der Suche nach neuen Lebens- und Wohnmöglichkeiten nach Frankfurt. Dank der Initiative engagierter Menschen erhielten sie vor dem Wintereinbruch 2014 eine provisorische Bleibe in Kirchenräumen der evangelischen Kirche.
Alle Bewohner wollten in Frankfurt so schnell wie möglich eine Arbeit finden, um ihre Familien in den Herkunftsländern oder in den südeuropäischen Ländern mit ihren Einkünften zu unterstützen.
Eine reguläre Tätigkeit blieb ihnen u.a. mit dem Verweis auf die damals angewandte Dublin-Verordnung untersagt. In der Regel erhielten sie keine Aufenthalts- und Arbeits-erlaubnis. Das Sammeln von Leergut im Sommer und/ oder kleine Aushilfstätgkeiten waren die einzigen geringfügigen Erwerbsverdienste, die in der Regel zu den Angehörigen weitergeleitet wurden. Ein ärmliches Leben in absolut prekären Verhältnissen! Dennoch hofften alle auf eine Verbesserung ihrer Situation. Sie versuchten bei den "Teachers on the road" mehr oder weniger erfolgreich Deutsch zu lernen, sie nahmen an Sportkursen teil, setzten sich mit anderen Flüchtlingen und gemeinsam mit Menschen aus Initiativen für eine dauerhafte Bleibemöglichkeit und dem Zugang zu einer zukunftsorientierten Willkommenskultur ein.
Materielle Unterstützung erhielten sie durch das Engagement von Menschen, die durch ihre Geld- und Sachspenden ermöglichten, dass wöchentlich Grundnahrungsmittel und Dinge für den täglichen Bedarf gekauft, Tickets und Reisekosten zur Verlängerung der Visa bezahlt werden konnten. Eine vertrauensvolle Kommunikation konnte durch Gespräche, Begleitung zu Beratungsstellen und Patenschaften zwischen einzelnen Personen aufgebaut werden.
Wir, eine Gruppe von UnterstützerInnen, haben u.a. zusammen mit dem Türkischen Volkshaus e.V. Sach- und Geldspenden gesammelt, uns mit Unterschriften und einer Petiton an die Stadt gewandt, mit der Bitte einen humanitären Lösungsweg zu finden, der den Verbleib und die Aufnahme einer Arbeit ermöglichen könnten.
Es müssen Verhandlungen aufgenommen werden - z.B. auch in finanzieller Hinsicht - mit der Stadt Frankfurt, mit dem Sozialdezernat, dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten sowie sozialen Verbänden - mit dem Ziel, den Flüchtlingen eine menschenwürdige dauerhafte Unterbringung zu ermöglichen. In Frankfurt gibt es einerseits einen hohen nutzbaren Leerstand an Wohnungen und Bürohäusern und andererseits hat die kommunale Wohnungsgesellschaft ABG-Holding die Verantwortung zu übernehmen, ausreichend bezahlbaren Wohnungsraum in Frankfurt anzubieten.
Wir haben kein Verständnis dafür, Menschen, die seit fast 2 Jahren hier leben, erneut in die Obdachlosigkeit in den nächsten Wochen zu entlassen.
Erst kürzlich hat der Präsident der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Volker Jung deutliche Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik in einem Zeitungsinterview geäußert: "Auch für Menschen, die vor wirtschaftlicher Not fliehen, müsse es vernünftige Möglichkeiten der Arbeitsmigration geben. Aber da hat die Politik versagt. Sie hat sich in den vergangenen Jahren dem Thema „Zuwanderungsland Deutschland“ komplett verweigert." Er fordert, Schutzberechtigte "nicht länger unter Brücken und in irregulären Beschäftigungsverhältnissen zu lassen".
Wir sind der Meinung, Flüchtlinge dürfen nicht kategorisiert werden in bessere und schlechtere. Sie sind Menschen, die vor Krieg, Armut, Hunger und Verfolgung auf der Flucht sind.
Wir wenden uns an die Stadt Frankfurt, in Zusammenarbeit mit Ämtern und sozialen Trägern alles zu tun, damit diese Flüchtlinge nicht - wie 2 Jahre zuvor - unter den Mainbrücken leben müssen. Wir sind der Meinung, die Aufnahme von Flüchtlingen und ihre Akzeptanz in der Zivilgesellschaft sind ein Gebot der Menschenrechte.
Wir wünschen, dass die seit ca. 2 Jahren hier lebenden Menschen sehr schnell neue Unterbringungsmöglichkeiten und Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen erhalten.
Marianne Koester Gisela Leiss
Für die Gruppe der UnterstützerInnen
in Zusammenarbeit mit "Teachers on the road"